Mediative Kommunikation in Zeiten der Corona-Krise

Lesezeit: 5 Min.

Die aktuelle Situation lässt unsere Gefühlslage im Minutentakt schwanken und durch den Lockdown light verändert sich unser Zusammenleben stark. Wenn immer möglich, sollten wir nun zu Hause bleiben. Während im öffentlichen Raum Social Distancing angesagt ist, wird es in vielen Fällen daheim zu erhöhtem sozialen Kontakt kommen. Gerne möchte ich Ihnen in diesem Blogbeitrag einen Tipp geben, wie Sie zu Hause mit Ihren Liebsten oder Mitmenschen mediativ kommunizieren können. Damit das #stayhome-Erlebnis nicht zur Qual, sondern zur Chance wird.

Douglas_Mediation_mediative_Kommunikation_Corona_Krise_blog.jpg

Plötzlich waren sie geschlossen. Der Bundesrat machte unvermittelt alle Schulen dicht. Die Kinder sind seither, und insbesondere seit der gestrigen Medienkonferenz des Bundesrats, nun (hoffentlich) mehrheitlich zu Hause. Die Eltern sind, sofern es ihr Beruf zulässt, ebenfalls zu Hause im Home Office. Die Katze und der Hund freuen sich sichtlich über den erhöhten sozialen Kontakt in den eigenen vier Wänden. Doch für die übrigen Familienmitglieder*innen sowie für Paare oder Bewohner*innen in Wohngemeinschaften, kann diese Situation schnell zu zusätzlichem Stress führen. Nicht zuletzt durch die Medienberichte zu Covid-19 kann sich unsere Gefühlslage rasch verändern. Trotzdem geht das Leben irgendwie weiter und die schreienden Kinder sowie übrige Mitbewohner*innen haben weiterhin ihre Bedürfnisse.

Gewaltfreie kommunikation (gfk)

Um Konflikte durch unerfüllte Bedürfnisse vorzubeugen, kann das Kommunikationskonzept der «Gewaltfreien Kommunikation» von Marshall B. Rosenberg sehr hilfreich sein. Deshalb möchte ich es Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten. Sollte Sie in den nächsten Tagen, Wochen oder Monate aufgrund einer aktuellen Situation oder zum Beispiel durch eine Handlung Ihrer Mitbewohnerin oder Ihres Mitbewohners bedrückt sein, kann gewaltfreie Kommunikation helfen. Das GFK-Modell umfasst 4 Schritte und setzt eine Empfangsbereitschaft als Grundlage voraus. Sie sollten sich vorgängig also beim Gegenüber vergewissern, dass er/sie bereit dazu ist, aktiv zuzuhören. Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt und gehen Sie wie folgt vor:

  1. Was war der Auslöser? Teilen Sie Beobachtungen einer konkreten Situation oder Handlung mit. Wenn Sie möglichst genau beschreiben, was Sie beobachtet haben und nicht bewerten oder interpretieren, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Gegenüber offen zuhören kann und sich nicht verteidigt oder rechtfertigt, sondern Sie versteht. (=Sachebene)

  2. Wie fühlen Sie sich? Teilen Sie ihre eigenen Gefühle mit.
    Beschreiben Sie, was in Ihnen vorgegangen ist und wie Sie sich fühlten. Wenn Sie beschreiben, welche Gefühle Ihr Gegenüber in Ihnen ausgelöst hat, geben Sie ihr/ihm den Freiraum, auf die Aussage einzugehen. (=Selbstoffenbarungsebene)

  3. Welche Bedürfnisse haben Sie? Verbinden Sie Ihre Gefühle mit Ihren eigenen Bedürfnissen. Hier beschreiben Sie, welche Bedürfnisse sich hinter den Gefühlen verbergen und, ob die Bedürfnisse erfüllt oder nicht erfüllt wurden. Wenn Sie Ihrem Gegenüber vermitteln können, was Ihre Bedürfnisse sind, dann haben Sie eine viel bessere Chance, dass diese Person bereit ist, etwas zur Erfüllung dieser Bedürfnisse beizutragen. (=Beziehungsebene)

  4. Worum bitten Sie die andere Person? Gehen Sie auf das Gegenüber mit einer konkreten Bitte ein. Das heisst, positiv zu formulieren, was Sie von der anderen Person wollen. Dabei machen Sie klare Handlungsangebote und akzeptieren auch, wenn das Gegenüber die Bitte (noch) nicht erfüllt. Denn erfüllt werden soll die Bitte nur dann, wenn die Person auch wirklich bereit dazu ist. Deshalb ist es eben eine Bitte und keine Forderung. (=Appellebene)

GFK in Kürze:

«Hey, wenn du so handelst, dann passiert Folgendes in mir. So fühle ich mich, das brauche ich. Und das ist, worum ich dich bitten will.»

Klingt doch relativ einfach? Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen versichern, dass es in der Theorie einfacher klingt, als in der Umsetzung. Mein Tipp diesbezüglich: Schreiben Sie sich zu diesen vier Schritten vorgängig Stichwörter oder sogar ganze Sätze auf. Dies gibt Ihnen Sicherheit und hilft Ihnen den Fokus nicht zu verlieren oder gar in altes Fahrwasser zu geraten. Wichtig ist, dass Sie sich auf eine spezifische Situation beziehen. Mit etwas Übung können Sie anhand dieser Methode, Dinge, die Sie vielleicht auch schon länger ärgern, auf eine konstruktive Weise ansprechen. Sämtliche Ebenen der Kommunikation werden berücksichtigt, weshalb Ihre Botschaft erfolgreicher ankommt, und Ihr Gegenüber mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf Ihre Bitte eingeht. Probieren Sie es aus - Zeit haben Sie ja momentan!

fazit

Gewaltfreie Kommunikation ist eines von vielen Modellen, welche zu einer mediativen Kommunikation beitragen kann. Gerade in der aktuellen Situation können diese vier Schritte: Beobachtung beschreiben, Gefühle mitteilen, Bedürfnisse erklären und eine konkrete Bitte formulieren, zu einem angenehmeren Zusammenleben führen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Ausprobieren und freue mich auf Ihre Erfahrungsberichte.

Bleiben Sie gesund und seien Sie nett zueinander!

Ben Hughes

Quellen:

Gewaltfreie Kommunikation (GFK):

Marshall B. Rosenberg (2004), Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation, Ein Gespräch mit Gabriele Seils, S. 15-16 (Verlag Herder GmbH)

Marshall B. Rosenberg (2016), Gewaltfreie Kommunikation, Eine Sprache des Lebens, S. 21-22 (Junfermann Verlag)

Foto:
pixabay.com